Trommlercorps 1950 Kirchborchen e.V.

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Tag 5 Boston – Lincoln

Was für eine Nacht! Für einige von uns aufgrund des NFL Spiels recht kurz, kommen wir nur schwerlich aus den Federn. Aber es nützt ja nichts, heute erwartet uns Boston. Auch beim Frühstück drehen sich noch alle Gespräche um Touchdowns, Feuerwerke und die schier unglaubliche Kulisse dieses Hexenkessels, in den wir da gestern hineingeraten sind. Ein Footballspiel ist in der USA einfach ein Großevent mit viel Entertainment neben dem eigentlichen Sport. Die Gespräche müssen allerdings enden, als wir um 8:30 Uhr unsere Koffer in den Bus verräumen und zur Stadtrundfahrt aufbrechen. Das Wetter ist typisch englisch, wir befinden uns mit Massachusetts (einfach zu schreiben, schwer zu sprechen) eben auch in den Neu-England Staaten.

Auftritt Dagmar. Nachdem wir mit Rene, unserer Stadtführerin in New York und Renate, unserem Kontakt auf dem Oompah Fest bereits zwei Damen im fortgeschrittenen Alter kennen lernen durften, setzt Dagmar dem ganzen noch die Krone auf. Vor 44 Jahren aus München nach Boston emigriert, ist sie inzwischen 79 Jahre alt und gibt ihr Wissen um die Stadt an uns Touris weiter. Sie glänzt mit enormen Informationen, einer sympathischen Art und einer schier unglaublichen links-rechts Schwäche. Eine Stadtführerin mit links-rechts Schwäche? Eine bessere Kombination für dieses Berufsbild hätten auch wir uns nichts ausdenken können. Dies macht sie aber nur noch sympathischer, und in ihrem Alter darf man auch mal ein paar „Seniorenmomente“ haben, wie sie sagt. Kennen wir, wir haben ja schließlich „Hermann the German“ alias „Herman Wiper“ dabei. Uns jüngere Teilnehmer betitelt sie als „Frühlingshühnchen“, eine wortgenaue Übersetzung von „Springchicken“. Auf unseren Bierkonsum entgegnet sie nur, dass sie höchstens mal für ihre Schnecken Bier kauft. Natürlich züchtet Dagmar Schnecken, hätten wir uns nach den ersten Eindrücken auch denken können.

Nach einem Halt bei der Boston Public Library stoppen wir ebenfalls im Nobelviertel Beacon Hill. Hier erzählt uns Dagmar einiges über die damals ansässigen Abolitionisten und die Underground Railroad. Zufällig habe ich dazu sogar ein Buch in meinem Rucksack. Außerdem berichtet sie davon, dass Nichtanwohner hier gnadenlos abgeschleppt werden – nur Minuten bevor wir tatsächlich für den ersten Enterhaken Platz machen müssen und das Spektakel beobachten können.

Im Anschluss besichtigen wir den Campus der Harvard University. Hier ergibt sich aber ein kleines Problem: links-rechts Schneckendagmar begleitet uns hier nicht, die Führung wird von zwei Studenten durchgeführt, die kein Wort Deutsch sprechen. Die Gruppe wird folglich aufgeteilt. Eine Hälfte mit guten Englischkenntnissen, die andere mit Teilnehmern der Generation „Wir sind halt viele und verlassen bald den Arbeitsmarkt“. Aufgrund der offensichtlichen Diskrepanz im Alter werden diese Gruppen in Dagmar huldigender Weise „Springchickens“ und „Half-in-graves“ genannt. Die Gruppe der Springchickens wird geleitet von einem jungen Studenten, der an der Harvard University Musik studiert und mal Conductor  – Dirigent – werden möchte. Unser Major stellt sich daraufhin vor, er hat die Musiklehre auch ohne Harvard perfektioniert, wie die letzten Tage schon eindrucksvoll bewiesen haben.

Besondere Aufmerksamkeit wird abermals Lothar zu Teil, denn er hatte in der Vergangenheit bereits das ein oder andere Mal durchblicken lassen, nicht der größte Studentenfreund zu sein. Die Studenten unseres Vereins bekommen dies in regelmäßigen Abständen mit bissigen Wortbeiträgen zu spüren. In Mitten der wohl besten Universität der Welt, umgeben von Köpfen, die durchaus die Geschicke der Welt mitentscheiden werden, hört man aus der letzten Reihe von Lothar nur: „Die leisten hier alle nix“. Wir überlegen daraufhin den Nixkönnern von Harvard ein Praktikum bei der Deutschen Bahn zu vermitteln, Lothar würde sich da als Schweißerlehrer bereitwillig anbieten. Im Gegenzug würde Lothar ein Harvard University Shirt anziehen, die es hier zu kaufen gibt. Dies würde ob der oben geschilderten Beziehung zu diesem lesenden Pack einer gewissen Ironie nicht entbehren.

Bei der Führung über den Campus tut sich allerdings der Himmel auf und durchnässt uns bis auf die Knochen. Klitschnass steigen wir somit in den Bus und treten die nächste Etappe in Richtung Lincoln in den White Mountains an.

Da wir schon lange unter Bier-Unterversorgung leiden, wird auf der Fahrt der nächste Target angesteuert und um knapp 400 Dosen erleichtert. Die Kassiererin staunt nicht schlecht, aber wir haben eben Durst und noch einige Kilometer vor uns.

In Lincoln regnet es noch immer. Das hätte uns aber nicht davon abgehalten, augenblicklich in den Pool zu springen, hätte man uns nicht darauf hingewiesen, dass es auch ein kleines Hallenbad gibt. Dann wird sich eben dort erfrischt, nach der langen Fahrt eine echte Wohltat! Bereits 2017 war unser Finanzmogul Timo damit aufgefallen, dass er die schwarzen Uniformschuhe selbst im Grand Canyon nicht gegen bequemere Ausführungen tauschte, was ein bizarres Bild abgab. Auf dem Weg zum Badehaus wiederholt sich dieses Spektakel und man sieht Timo mit Badebuchse, schwarzen Socke und Slippern – Uniform Flip Flops – über den Rasen hüpfen. Die einzige im Pool anwesende Dame wird schnell in unsere Runde integriert, darf Fotos von uns machen wird gleichermaßen mit Kaltgetränken versorgt. Cedric wirft der durstigen Meute Dose um Dose in den Pool, man fühlt sich an eine Robbenfütterung im Zoo erinnert und auch die hier anwesenden Körper… ach lassen wir das.

Eine weitere Parallele zur 2017er Fahrt hätten wir uns gerne gespart: Unser Bus muss nach Ankunft in Lincoln aufgrund eines Defekts ausgetauscht werden.

Den Abend verbringen wir gemeinsam im Hotelrestaurant – viel mehr Optionen stehen in diesem kleinen Ort in den White Mountains auch nicht zur Verfügung. Major, Sarah, Flori Kriener und meine Person nehmen uns vor, die durchaus einladende Bierkarte auf Genießbarkeit zu testen und bestellen jeweils verschiedene Biere. Nach dem Geschmackstest werden Daten der Biere in Quartettmanier verglichen. Es fällt auf, dass ich von Somelier Lukas Schumacher in jeder Runde die absoluten Versagerbiere zugeschuster, bzw. zugeschumachert bekommen habe. In Runde drei gibt’s allerdings ein kleines Highlight, ein Blick auf die Karte lässt mich staunen. Das nächste Bier trägt den so viel versprechenden Namen „Lord Hobo Boom Sauce“. Für die eben bereits erwähnte Generation Teppichboden hier die Übersetzung: Graf Penner Bumm Soßen Bier. Abgesehen vom Namen kann aber auch die Graf Penner Bumm Sauce nicht überzeugen, schmeckt wie Jauche das Zeug.

Wir lassen wieder einen gut gefüllten Tag in entspannter Atmosphäre ausklingen und genießen die gemeinsame Zeit.