„Früher waren wir nur 15 Mann, da musste noch jeder ordentlich in die Flöte pusten“, kommentiert Josef Müller, Vereinsmitglied seit 1953 scherzhaft die Entwicklung des Kirchborchener Spielmannszuges. Im Jahr 2025 ist aus der kleinen Anfangsgruppe eine stolze Mannschaft von 54 Spielleuten entstanden. Die gemeinsame Begeisterung für die Musik besteht bis heute, auch wenn sich das Repertoire seit den Gründungstagen durchaus verändert hat. „Zwar spielen wir auch noch die klassischen Märsche wie Preußens Gloria, über die Jahre haben wir uns aber auch immer wieder dem Zeitgeist angepasst. So zählen heute Stücke wie Major Tom und Fluch der Karibik gleichermaßen zu unserem musikalischen Können“, erläutert Tambourmajor Michael Lüthen. Auch im äußeren Erscheinungsbild haben sich die Kirchborchener in 75 Jahren manches Mal verändert. Spielten die Männer in den 50ern noch in weißen Hosen sowie schwarzen Jacken mit Schwalbennestern, wurden in den 70ern erstmals Uniformen in den heutigen Vereinsfarben blau und rot beschafft. Nachdem ab den 90ern auf die roten Krawatten verzichtet wurde, hielten diese zuletzt seit 2020 wieder Einzug in die Kleiderordnung der Spielleute. „Neben der modischen Komponente hatte dies sicher auch eine ideelle Bedeutung: Wir sind ein Verein, der sich gerne verändert und notwendige Anpassungen vornimmt, legen aber auch großen Wert auf die Weitergabe von Werten und Tugenden, die für ein so gutes Vereinsklima wie wir es bei uns vorfinden unerlässlich sind“ erklärt Vorsitzender Sebastian Röpke den Schritt.
Ein Verein entsteht
Dass die Anfangstage dabei durchaus schwierig waren, wird im Gespräch mit den Gründungsmitgliedern Friedrich Willeke (geb. 1933), Gustav Krois (1931-2025) und Josef Müller (geb. 1937, Vereinsbeitritt 1953) deutlich. Sie berichten, dass es einen ersten Spielmannszug in Kirchborchen bereits in den 1930er Jahren gegeben hat. Dieser wurde kriegsbedingt aufgelöst und im Jahr 1950 von wenigen Heimgekehrten neugegründet. Die 15 musikbegeisterten jungen Männer, die dem Spielmannszug zu dieser Zeit angehörten, mussten sich zunächst selbst das musikalische Wissen aneignen. Noten standen hierzu nicht zur Verfügung. Vielmehr mussten die Flötenspieler von den Fingern des einen Musikkundigen abschauen und die Griffe verinnerlichen. Erst später konnte ein Ausbilder aus Schloss Neuhaus engagiert werden, der zu jeder Probe eingefahren musste – keine Selbstverständlichkeit wie sie es heute ist, gab es damals doch noch kaum Autos im Ort. Auch die Uniformen der Spielleute bestand zunächst aus dem besten Sonntagsanzug eines jeden und war somit keineswegs einheitlich, man behalf sich schlicht mit dem was man hatte. Um so wichtiger, und diese Tatsache heben alle drei Befragten hervor, war die Kameradschaft und Verbundenheit untereinander. Für Zwietracht sei bei dem gemeinsamen Hobby schlicht kein Platz gewesen – auch heute noch wichtiger Bestandteil des Vereinslebens.
TCKB plant bereits die siebte Fahrt zur Steubenparade in den USA
Wie gut diese Kameradschaft funktioniert wurde deutlich, als Peter Kostowsky (Vereinsmitglied seit 1970) seine Musikerkollegen bei der Jahreshauptversammlung 1990 mit einer Schnapsidee der ganz besonderen Art überraschte: Der Verein sollte an der Steubenparade in New York teilnehmen. Dank guter Vorbereitung konnte Peter noch am selben Abend bereits die ersten Anmeldungen entgegennehmen, bevor er in eine vierjährige Planungsphase überging. Im Jahr 1994 war es schließlich so weit: die blauen Uniformen aus Kirchborchen zierten plötzlich die Straßen New Yorks und nahmen an diesem größten Fest der deutsch-amerikanischen Freundschaft teil. Über 30 Jahre später hat der Verein die Amerikareisen längst zu einem festen Bestandteil seines Bestehens werden lassen. Auf insgesamt sechs Reisen zu den Steuben Paraden in New York, Philadelphia und Chicago können die Kirchborchener bereits zurückblicken. Nach dem letzten Besuch der Steubenparade im September 2023 wurde die Reise über Boston und die kanadischen Metropolen Québec, Montreal und Ottawa fortgesetzt. „Die hierbei gesammelten Eindrücke und Kontakte sind einmalige Erlebnisse die sich mit kaum etwas vergleichen lassen“, kommentiert Sebastian Röpke die Reiselust des TCKB. „In 2023 haben wir uns vor Ort mit dem ebenfalls angereisten Tambourcorps aus Büderich bei Düsseldorf angefreundet. Auch sie werden zu unserem Jubiläum im Mai erwartet.“ Musik verbindet eben – auch auf einem anderen Kontinent.
Die Fahrten in die vereinigten Staaten sorgen regelmäßig auch für kuriose Momente, die seither zu gerne wiederholten Anekdoten im Verein geworden sind. So wurde 2017 die mitgeführte Pauke an den Spielmannszug in Milwaukee veräußert – ein Jahr später folgte die Einladung zum Sommerfest in Wisconsin. Beim Grenzübergang von den USA nach Kanada in 2023 staunte der Grenzbeamte nicht schlecht, als ihm beim Öffnen des Kofferraums etwa 900 Dosen Bier in die Arme fielen. Nach einer kurzen Anmeldung der heißen Ware konnte die Reise aber fortgesetzt werden, zusätzlich zur Bestätigung des wohl ältesten Vorurteils über Deutsche. „Indian Summer in Kanada, goldene Reisetage im Sonnenstaat Florida oder die Canyons und Indianerreservate in New Mexico – wir sind schon gut rumgekommen und haben unseren Spielmannsklang an manchem Ort hören lassen“, erinnert sich Michael Lüthen. Derzeit plant das Organisationsteam bereits die nächste Reise im Jahr 2029.
Feierlichkeiten zum Jubiläum
Auch an diese Amerikafahrten soll beim Kommersabend am 09. Mai, zu dem neben den aktiven und passiven Mitgliedern auch viele Gäste der Borchener Vereinswelt geladen sind erinnert werden. Zusätzlich zu kleineren Redebeiträgen, einem Interviewfilm mit verdienten Spielleuten sowie Ehrungen wird das Trommlercorps Kirchborchen an diesem Abend das von Lüthen geschriebene Stück „TCKB in Concert präsentieren“. In diesem zehnminütigen Stück werden die besten Stimmungs- und Konzertmärsche der TCKB Historie kombiniert. Von „Reise durch Russland“ über Abba bis hin zu „American March Highlights“ findet sich hier mancher Klassiker wieder.
Nachfolgend richtet das TCKB am Samstag, 10. Mai ein öffentliches Musikerfest aus. „Wir freuen uns hierzu neben sämtlichen Borchener Musikvereinen auch unsere Freunde aus Neuenbeken, Büderich und Serkenrode begrüßen zu dürfen“, erläutert Sebastian Röpke. Der Tag beginnt um 13:30 Uhr mit dem Empfang der Vereine an der Gemeindehalle in Kirchborchen. Ab 14:30 Uhr findet zunächst ein Festumzug durch den Ort statt, bevor sich ab 16:30 Uhr jeder Musikverein in der Gemeindehalle mit zwei Stücken präsentiert. Ab 19 Uhr wird der Abend mit einer DJ Party abgerundet. Der Eintritt für Gäste ist kostenlos. „Wir freuen uns auf zwei grandiose Tage mit all den Freunden und Wegbegleitern, die uns über die Jahre bei unserem Hobby unterstützt haben“, erklärt Sebastian Röpke. Vereinsleben ist schließlich heute wie vor 75 Jahren ganz besonders eines: geteilte Freude an der Sache.